Erfolge und Hintergrundinfos

Erfolge und Hintergrundinfos

Der erfolgreiche Weg zur vollen Anerkennung

Wenn zur vollen Anerkennung der im Ausland erworbenen beruflichen Qualifikationen nur noch etwas berufliche Praxis fehlt, kann die in der Regel im Rahmen eines strukturierten Praktikums nachgeholt werden. An dieser Stelle zeigen wir Beispiele von Geflüchteten, denen nach einer absolvierten Anpassungsqualifizierung die volle Gleichwertigkeit ihre beruflichen Qualifikationen bescheinigt wurde. Die Porträtierten stehen stellvertretend für die Menschen, die im IQ-Vorgängerprojekt "Anpassungsqualifizierungen in Handel un Dienstleistungen" auf ihrem Weg zur vollen Anerkennung begleitet wurden.


 Fachkräftesicherung in der Praxis – die  Sichtweise eines mittelständischen Unternehmens
Über eine gelungene Kooperation zwischen dem IQ Projekt "Anerkannt & Kompetent" und dem Betrieb Horst Busch Elektro-Technik GmbH

Fachkräfte sichern Innovation und Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und Beschäftigung, Wohlstand und Lebensqualität. Die Sicherung des Fachkräftebedarfs ist eine der großen Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte für Akteure aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Wissenschaft. In der KOFA-Studie (Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung) „Wie Unternehmen trotz Fachkräftemangel Mitarbeiter finden“ geben 92 Prozent der befragten Unternehmen an, vom Fachkräftemangel betroffen zu sein. 41 Prozent bezeichnen ihren Personalbedarf sogar als „dringlich“ oder „existenziell“. Künftig sind diese Unternehmen also möglicherweise nicht mehr in der Lage, bestimmte Aufgaben zu erfüllen.

Eine Möglichkeit, Fachkräfte zu gewinnen, bietet das  IQ Projekt "Anerkannt & Kompetent". Durchgeführt wird es durch die Arbeitsgemeinschaft selbstständiger Migranten (ASM) e.V. im Rahmen des bundesweiten Förderprogramms „Integration durch Qualifizierung (IQ)“.  Das Projekt bietet den Unternehmen Fachkräfte an, die auf dem Weg zur vollen Gleichwertigkeit ihrer ausländischen Berufe sind. Dazu gehören Menschen, die nach Deutschland, Hamburg einwandern und in ihrem Herkunftsland bereits eine Berufsausbildung eine von der IHK FOSA teilweise anerkannte Ausbildung absolviert haben. Das Team unterstützt und begleitet die Teilnehmenden auf dem Weg in die volle Gleichwertigkeit.

Die Horst Busch Gruppe ist eines der Unternehmen, die das Potenzial dieses Projektes entdeckt hat und sich dadurch fünf Fachkräfte sichert. Das Unternehmen wurde 1976 gegründet und bietet Dienstleistungen in fünf verschiedenen, eigenständigen Unternehmen  der Horst Busch Gruppe an: Elektro-Technik, Planung, Personal & Technik, Alarm- und Sicherheitstechnik, Sachverständige & Management sowie Fullservice IT-Betreuung.

Katarzyna Rogacka-Michels (KRM): Herr Gantenberg, im Bereich Planung, Personal & Technik, wo Sie tätig sind, sorgen Sie für Fachkräfte. Wie begann die Zusammenarbeit, damals noch mit dem Vorläuferprojekt „IQ Hamburg – Anpassungsqualifizierungen in Handel & Dienstleistungen“?

Michael Gantenberg (MG): Ich erinnere, dass wir uns klassisch auf der Messe Marktplatz der Begegnungen kennengelernt haben. Der Kontakt hat sich aufgebaut, weil wir uns, glaube ich, vierteljährlich auf der Messe getroffen haben. Wir sind darin übereingekommen, dass wir die gleichen Interessen haben, Fachkräfte zu gewinnen und langfristig zu binden.

KRM: Horst Busch Elektro-Technik GmbH hat fünf Fachkräfte in eine Anpassungsqualifizierung  aufgenommen und sie somit auf dem Weg in die volle Gleichwertigkeit des Berufes unterstützt. Alle fünf Personen wurden anschließend unbefristet angestellt. Zuerst als Helfer und dann als Fachkraft  in den Berufen Elektroniker für Betriebstechnik, Elektroniker für Gebäude- und Infrastruktursysteme und Industrieelek-triker Fachrichtung Betriebstechnik. Was hat Sie zu diesen Entscheidungen und generell zu einer solchen Personalpolitik bewegt?

MG: Wir haben uns, es ist schon sechs oder sieben Jahre her, zusammengesetzt und überlegt, was können wir tun, denn der Fachkräftemangel war schon da. Wir haben uns gesagt, wir bilden schon sehr stark aus, haben auch unsere Ausbildungszahlen erhöht. Wir haben  eine weitere Säule gesucht und da war eben ein Thema auch Umschulung, Fachkräfte als Helfer, die eine Teilanerkennung haben. Wir haben entschieden, die neuen Mitarbeiter mit Teilanerkennung zu unterstützen und zu testen. Damit haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht. Mittlerweile gewinnen wir daraus im Jahr doch so um die 20 Personen insgesamt - ob es jetzt durch die Externen Prüfung, Umschulung oder über Ihre Maßnahme, die Teilanerkennung.  Vor fünf, sechs Jahren hatten wir  den Mut, das zu machen, das zu testen und es war der richtige Weg. Das war eine gemeinsame Entscheidung in der Geschäftsführung. 

KRM: Wie verlief die Zusammenarbeit mit dem Projekt? Wobei wurden Sie oder die Mitarbeiter unterstützt?

MG: Ich würde sagen, bei allem Bürokratischen wurden wir unterstützt: Wenn der Bewerber Probleme mit der Ausländerbehörde hatte oder  mit der Wohnsituation. Da wurden wir stark unterstützt, damit sich der Mitarbeiter wirklich auf das Fachliche konzentrieren kann. Damit er  nicht denkt, was muss ich alles noch machen? Ich brauche eine Wohnung, ich muss aus dem einen Zimmer raus usw. In der Gesamtbetreuung wurden wir in dem unterstützt, was der Arbeitgeber nicht abdecken kann. Bei der Beantragung der Anerkennung ist die Unterstützung dazu  da, wie wir die Lernziele schaffen, was fehlt noch, dass man auf beiden Seiten positiven Druck ausübt.  

KRM: Auf der Unternehmenshomepage versichern Sie, „Seit mehr als 40 Jahren liefern wir zuverlässige Technik und kompetenten Service.“ Wie schätzen Sie die Kompetenzen und die Einsatzmöglichkeiten der neu eingewanderten Fachkräfte ein? Können diese das Versprechen in der Zukunft halten?

MG: Am Anfang sieht man schon die Unterschiede in der Kompetenzfeststellung, dass in anderen Ländern doch anders gearbeitet wird. Nur erkennen wir auch, dass der Einsatzwille, die Bereitschaft, was Neues zu lernen, deutlich größer ist, als das wir es zum Beispiel durch die Ausbildung kennen. Da sind einfach die Leidenschaft und der Wille, was Neues zu lernen, komplett da und dementsprechend ist es einfacher zusammenzuarbeiten. Die kleinen Defizite die man noch hat, sollen innerhalb von wenigen Monaten behoben werden, so dass alle auf dem gleichen Stand sind und wie in Deutschland üblich arbeiten können. Wir haben gute Erfahrung gemacht. Wenn wir mal eine Prozentzahl angeben wollen, so bei 80 Prozent läuft es tatsächlich richtig gut. Natürlich gibt es den einen oder anderen, wo es mehr Schwierigkeiten gibt und es vielleicht doch nicht der richtige Beruf ist. Aber die Mehrzahl ist wirklich positiv im Unternehmen angekommen.

KRM: Was sind Ihrer Meinung nach die größten Hürden, kompetentes und zuverlässiges Personal bzw. Fachkräfte zu finden?

MG: Wenn wir neue Fachkräfte von außerhalb der EU gewinnen, ist die Sprache die größte Hürde. Aber auch die sprachlichen Unterschiede  z.B. beim B1 Niveau. Wir haben in der Firma gesagt, unter B1 stellen wir nicht ein. Aber B1 ist nicht gleich B1, sprich, wir sehen dann schon die Unterschiede auch im Schulniveau. Viele können deutlich sprechen, einige gar nicht. Haben aber beide das gleiche Zertifikat.
Dazu kommen die Lebensgewohnheiten, dass z.B. für uns in Deutschland die Pünktlichkeit einfach eine Tugend ist. Die anderen Kollegen sind auch pünktlich, aber es gibt dann eben auch Situationen, wo jemand einen Termin bei der Behörde hat und sagt das erst zwei Stunden vor    dem Termin. Die Prioritäten werden da manchmal nicht richtig gesetzt. .Aber allgemein zurück noch mal zum Thema „Kompetentes und zuverlässiges Personal bzw. Fachkräfte zu finden.  Ich glaube eher, dass das Handwerk eine andere Lobby bräuchte. Wir alle sehen: Durch das Handwerk wächst die Wirtschaft. Wir sehen auch von außen, dass Mitarbeiter kommen und sagen, sie haben ganz viele Wünsche, finanziell  gibt es dann aber Grenzen. Im Handwerk sowieso und da zeigen sich Hürden, dass das Handwerk nicht so attraktiv ist, wie andere Branchen.  

KRM: Die Teilnehmer, die über das Projekt zu Ihnen gekommen sind, kommen aus dem Bereich der IHK FOSA Berufe. Ist die Einstellung ähnlich?

MG: Ja, es gibt Industrieelektroniker oder Elektroniker für Betriebstechnik. Die denken sich, dann gehe ich zum Beispiel zum Standort Airbus.  Die Verdienstmöglichkeit ist dort wahrscheinlich größer, als wenn man zum Handwerker geht. Wir sind von der Struktur her mit 250 Mitar-beitern schon größer im Handwerk aufgestellt, als 10 Mann-Betriebe. Die haben es noch schwieriger, gutes Personal zu finden. Dann aber auch noch jemanden zu finden, wo sie investieren müssen, auch in die Sprache, die Geduld, die Defizite abzuarbeiten, das kostet alles Geld. Und dann, wenn der Mitarbeiter Anspruch hat, sagen wir, den Mercedes-Lohn zu haben, dann wird es schwierig.

KRM: Was würden Sie anderen Unternehmen, die unter Fachkräftemangel leiden und die zugewanderten Fachkräfte nicht im Blick haben, empfehlen? Muss man ihren Fähigkeiten gegenüber misstrauisch sein oder Berührungsängste haben?

MG: Ich würde sie in erster Linie keinem empfehlen, so bleiben mehr für uns. Nein, Spaß. Deutsche sind oftmals so: Alles, was neu ist, ist nicht gut. So neu ist das alles mittlerweile  ja gar nicht mehr. Misstrauisch muss man nicht sein. Man muss einfach den Mut haben, das auszuprobieren. Und man findet dann wirklich loyale Mitarbeiter, die nicht nach links und rechts gucken, die sich langfristig im Unternehmen integrieren wollen.

Ziel erreicht: Der lange Weg des Jamal Alghadir zur beruflichen Anerkennung als Fachkraft

„Ich dachte nicht, dass das so schwierig ist“, blickt Jamal Alghadir auf seine Bemühungen zur Anerkennung seiner in Syrien absolvierten Ausbildung zurück. Dreieinhalb Jahre hat sich der gelernte Feinwerkmechaniker nach eigenen Angaben darum bemüht, bis er schließlich Anfang 2020 seine Anerkennungsurkunde in den Händen halten konnte. Der im Januar 2016 nach Deutschland eingereiste 41-Jährige hatte in Damaskus ein technisches Abitur mit einem Abschluss der Fachrichtung Feinwerkmechanik abgelegt. Im Anschluss daran absolvierte er eine dreijährige Ausbildung an der Industriefachhochschule und war dann 14 Jahre lang als Feinwerk- und Zerspannungsmechaniker in drei verschiedenen Jalousien-Fabriken in Syrien tätig.Es gab mehrere Gründe dafür, dass die Feststellung der Gleichwertigkeit seines ausländischen Berufsabschlusses sich so lange hingezogen hat: Angefangen bei den Schwierigkeiten, mit Hilfe des in Syrien verbliebenen Bruders alle Abschlusszertifikate und Arbeitszeugnisse zusammen zu tragen und sicher nach Deutschland zu transportieren bis hin zu der Frage, wer eigentlich in seinem Fall für das Anerkennungsverfahren zuständig ist.
Zunächst hatte Alghadir die für Zerspannungsmechaniker zuständige IHK Fosa kontaktiert, die ihn wiederum an die Handwerkskammer verwies, die für Feinwerkmechaniker zuständig ist. „Bei der Kammer wurde mir geraten, noch mal zwei bis drei Jahre lang Kurse zu belegen“, erzählt Alghadir. „Mir standen die Haare zu Berge.“

Erneut wendet sich der Facharbeiter, der sich von der Zentralen Anlaufstelle Anerkennung (ZAA) und dem Vorläuferprojekt von "Anerkannt & Kompetent" bei ASM beraten lässt, an die IHK Fosa. Die leitet daraufhin das Anerkennungsverfahren ein. „Der Sachbearbeiter war sehr hilfsbereit aber eines meiner Schulzeugnisse konnte ich einfach nicht mehr beschaffen.“ Auch aus einer Fabrik fehlte ein Arbeitsnachweis, so dass von seinen 14 Jahren Arbeitserfahrung lediglich elf Jahre anerkannt werden können.

Die Auflage, einen Kurs zum Thema Digitalisierung der Arbeit zu belegen, erfüllt Alghadir dagegen problemlos, nachdem ASM ihm bei der Kurssuche geholfen hat. Im Rahmen des APQ-Projekts erhielt er unter anderem Hilfestellung beim Erstellen eines Lebenslaufs,  ein Training zum Führen eines Vorstellungsgesprächs und Unterstützung bei der Suche nach potentiellen Arbeitgebern.
Auch während einer weiteren, knapp dreimonatigen Weiterbildung, hielt Projektmitarbeiter Hakim Chohbishat Kontakt zu Alghadir und achtet darauf, dass die ihm für eine volle Anerkennung  auferlegten Auflagen erfüllt werden. Während der Weiterbildung stattet sein heutiger Chef dem Kurs einen Besuch ab. Dank dieses Kontakts erhält Alghadir die Chance auf einen Arbeitsplatz bei der Hein & Oetting Feinwerktechnik GmbH, die Komponenten für medizinisches Gerät und die Luftfahrt herstellt. Die beiden vereinbaren zunächst ein einmonatiges Praktikum. Alghadir kann mit seinen Kenntnissen und Erfahrungen überzeugen: Noch bevor das Zertifikat der IHK Fosa im Februar 2019 eintrifft, ist der Arbeitsvertrag bei der Hamburger Firma unterschrieben.

Derzeit ist für Alghadir eine Rückkehr nach Syrien ausgeschlossen. Aber für die ferne Zukunft könnte er sich vorstellen z. B. im Marketing zu arbeiten und zwischen beiden Ländern zu pendeln.

Das Förderprogramm IQ - Integration durch Qualifizierung zielt auf die nachhaltige Verbesserung der Arbeitsmarktintegration von Erwachsenen mit Migrationshintergrund ab. Das Projekt "Anerkannt & Kompetent" wird im Rahmen des Förderprogramms IQ - Integration durch Qualifizierung durch das Bundesminsterium für Arbeit und Soziales und die Europäische Union über den Europäischen Sozialfonds Plus (ESF Plus) gefördert und vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge administriert. Partner in der Umsetzung sind das Bundesministerium für Bildung und Forschung und die Bundesagentur für Arbeit.

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